Endsiegpropaganda*): Der Euro wird medial für gesund erklärt
Klartext zum aktuell beliebten Narrativ „Griechische Zinsen sanieren Deutschland“
Peter Boehringer 22.6.2018
Während sich die noch rational und frei denkenden Marktteilnehmer zur Zukunft des seit Jahren unrettbar auf der Intensivstation liegenden Euro heute eigentlich nur noch täglich die Frage stellen, wann die EZB bzw. Deutschland den Daumen über der EUR-Dauerrettung senken werden, treiben die EU und die deutsche Regierungs-Politik mit massenmedial gleichgeschaltetem Tenor in diesen Tagen auf allen Kanälen das absurde Narrativ in die Köpfe „Deutschland hat vom Euro profitiert. Griechenland saniert die deutschen Staatsfinanzen“.
Nur als eines von vielen Beispielen sei dieses Statement des Finanzexperten Kindler (MdB, Grüne) zitiert, der hier als totaler EURopäer und faktisch als Regierungssprecher von Scholz und Merkel auftritt. Solche Aussagen wurden in den letzten Tagen auf praktisch allen Kanälen völlig unreflektiert wiedergegeben:
„Der Grünen-Experte Kindler fordert wegen der Gewinne Schuldenerleichterungen für Athen. ‚Entgegen allen rechten Mythen hat Deutschland massiv von der Krise in Griechenland profitiert. Deutschland und Europa stehen im Wort, um Athen unter die Arme zu greifen.‘ “
Da staunt der Laie (besser – der wahre Kreditexperte): SCHON WIEDER wird dieser von mir schon im Mai kurz auf Phoenix https://www.youtube.com/watch?v=BpTFuBSYj1Y&t=96s (ab Minute 1:36) dementierte Mythos der totalen EURopäer „Die EUR-Krise ist vorbei – wir verlieren kein Geld, gewinnen sogar…“ wiederholt. Das hängt natürlich damit zusammen, dass ganz „zufällig“ in den kommenden beiden Wochen im Haushaltsausschuss und im Plenum des Deutschen Bundestags inmitten der laufenden Haushaltsberatungen, inmitten der Fußball-WM und direkt noch vor der Sommerpause einige Milliardengeschenke durch den Bundestag gepeitscht werden sollen. Die entsprechende Tagesordnung liegt uns bereits vor:
- Laufzeitverlängerung der EFSF-GR-Kredite um über 10 Jahre bis 2033 – damit vermutlich hinter das natürliche EUR-Ende – damit Vollausbuchung absehbar.
- Rückerstattung angeblich „unverdient“ von Deutschland vereinnahmter „Zinsgewinne“ aus der GR-Dauerrettung seit 2010.
- Abkehr vom Schäuble´schen Versprechen, den IWF auch bei allen weiteren GR-Rettungen mit an Bord zu bekommen (was 2015 erklärte CDU-„must have“-Forderung für weitere GR-Rettungskrediten gewesen war)
- Einführung eines Cashpuffer-Geschenks (!) über 15 Mrd EUR an das doch angeblich nun „diesmal endgültig, wirklich und ganz sicher“ gerettete GR noch im August 2018 [wir haben alle déjà-vus zu den gleichlautenden Sprüchen von 2010].
- Formal Verkündung eines Endes der GR-Rettungen „wegen des nun mirakulöserweise gesundeten“ Griechenlands, obwohl GR heute doppelt so hoch verschuldet ist als beim Beginn der Eskalation der Krise 2009
Was ist zu diesen Narrativen („Milliarden EUR an unverdienten Zinsgewinnen Deutschlands“ und „Griechenland ist nun gesundet“) zu sagen?
- Griechenland ist in keiner Weise über den Berg. Ähnlich wie bei Italien (dessen Neuverschuldung schon 2017 AUSSCHLIESSLICH von der EZB aufgekauft wurde!), gibt es auch bei griechischen Bonds ohne EZB und befreundete Geschäftsbanken und Organisationen praktisch keine privaten Käufer mehr:
Griechenlands Schulden
- „Zinserlöse“ sind keine „Zinsgewinne“: Berücksichtigt werden müssen
a) die Refinanzierungskosten des Kredits und
b) das Ausfallrisiko des Kredits
Wir sprechen wohlgemerkt von über 295 Mrd EUR an GR-Krediten– beileibe noch nicht alle sicher zurückgezahlt!
- Das Ausfallrisiko wurde vom freien Markt 2010 (also vor Beginn des Dauereingriffs von SMP / EFSF / ESM / EZB) mit 200% p.a. bepreist! Jeder Kredit damals an GR hätte also mit 200% bepreist werden müssen! Griechenland hatte IMMER „Zugang zu den Märkten“ – aber eben nur zu entsprechend risikoadäquaten Zinssätzen.
- Bereits die tatsächlich erhobenen winzigen 3-4% an Zinsen waren ein riesiges Geldgeschenk – es wurde gewaltige Risikoübernahme praktisch zu Nullkosten an GR verschenkt! Die Riskokomponente des Zinses entspricht in einem freien Markt der Ausfallwahrscheinlichkeit des Kredits. Nur linke Ökonomie-Ideologen können von „Zinsgewinn“ sprechen – und Zinserlöse mit „Gewinn“ gleichsetzen.
- Und auch die Refinanzierungskosten des ESM/SMP waren keineswegs 0% (wenn sie auch künstlich niedrig waren – die EZB übernimmt permanent durch ihre Gelddruckmacht Risiko zu Nullkosten – aber eben auf Kosten von Deutschlands Bonität!). Faktisch hat Deutschland als Haupt-Bürge und Letzthafter im EUR-System die Niedrigzinsen für GR unentgeltlich bereitgestellt – wie immer eben seit 1999 im EUR-System für alle bis dahin traditionellen Hochzins-Staaten (PIFGS).
- Ganz zu schweigen von der Zeit- bzw. Gegenwartspräferenz des Geldgebers – die käme nach anerkannter Zinstheorie als dritte Komponente des Zinses auch noch hinzu.
- Doch selbst die bereits massiv subventionierte Minimalzinszahlung von ca. 3% soll nun noch rückerstattet werden – was bei Kreditverträgen nach Laufzeitende völlig unüblich ist! Das wäre wie die Rückerstattung eines Versicherungsbeitrags nach Ablauf der Versicherung, wenn gerade mal kein Schaden entstanden ist… Es wäre eine Perversion des Versicherungsgedankens und der gesamten Versicherungsmathematik und des Kreditwesens! Es gibt nicht den geringsten Grund zu einer Rückerstattung – der Erwartungswert des Kreditausfalls muss in Form von Zinsen gezahlt werden. Deutschland bzw. die Bundesbank HATTEN keinen „Zinsgewinn“ aus dem GR-Notkrediten! Wer das behauptet, hat keine Ahnung vom Kreditgeschäft. Wenn so gearbeitet würde in den Kreditabteilungen von Banken, wären diese Institute alle innerhalb eines Jahres pleite!
- Hinzu kommt, dass die meisten der GR-Kreditprogramme sogar noch Jahre und Jahrzehnte laufen! Das Ausfallrisiko ist also noch lange nicht gebannt. Wenn die EZB auch nur einmal den Daumen über GR senkt oder wenn der EUR aus anderen Gründen scheitert – dann wird die Tilgung dieser Kredite ausfallen! Es gab und gibt verdammt gute Gründe für Zinserlöse der Geldgeber von GR – ungleich Zins-„Gewinne“!
- Es gibt auch keine bindende Vertragsklausel zu einer unkonditionierten Rückerstattung von Zinsen – eine solche war nie im Bundestag. Es gibt nur eine parlamentarisch nie genehmigte vertragliche Bestimmung, dass GR bei Erfüllung aller 450 (!) Konditionen evtl. Zinsen erstattet bekommen sollte. Das ist eine völlig willkürliche Regelung. Zudem wurden diese 450 Bedingungen natürlich nicht alle voll erfüllt. Das gibt ja sogar die EU selbst zu (massive Verzögerungen bei der Modernisierung der Katasterämter und bei Privatisierungen u.v.m.).
Die AfD will übrigens NICHT in GR reinregieren. WIR bestehen nicht auf der Verhökerung unter Wert des griechischen Tafelsilbers bis hin zum Ausverkauf des eigenen Landes! Niemals würden wir diese Gängelung GRs befürworten! Wir fordern einfach, dass GR wieder Luft zu eigener souveräner Finanzpolitik bekommt – außerhalb des EUR!
- Schon seit 2014 wurden zT gar keine Zinsen bzw. Bürgschaftskosten mehr von GR erhoben oder die gezahlten wieder zurückerstattet. Auch das waren reine Geschenke. Und wie könnte die Bundesregierung eigentlich eine Rückerstattung von Zinsgewinnen verfügen, die doch zunächst bei der total unabhängigen Bundesbank angefallen sind? Soweit diese Bundesbank-Gewinne schon ausgeschüttet wurden in den Bundeshaushalt, war dies offenbar voreilig (2016 übrigens nur 400 Millionen EUR; 2017 dann 1,9 Mrd EUR – davon stammte so gut wie nichts aus griechischen Zinszahlungen). In jedem Fall führte eine Rückführung dieser Zinszahlungen aus dem Bundeshauhalt an Griechenland zu direkter Haushaltswirksamkeit – das Geschenk wird direkt vom deutschen Steuerzahler bezahlt!
Fazit:
Was die EUliten hier von Deutschland (dank Scholz und Merkel und den Grünen auch noch ERFOLGREICH) einfordern, ist ein durch keine ökonomische oder vertragliche Logik zu rechtfertigendes Milliardengeschenk des deutschen Arbeiters an Griechenland über zwei bis drei Mrd EUR – dem Steuermichel verkauft über die absurde Propaganda- und Moralkeule „Ihr dürft doch nicht von Griechenlands Not unverdient profitieren – und dem Euro geht es übrigens wieder bestens!“. Ich gebe allerdings zu, dass dieses Geschenk angesichts der noch abzuschreibenden insgesamt knapp 300 Mrd EUR an Rettungskrediten für Griechenland (Stand 2018) fast vernachlässigbar ist. Die EU-EZB und damit Deutschland gehen jeden Tag (!) mit über einer Milliarde EUR in die Haftung gegen den ansonsten sofortigen EUR-Zusammenbruch!
*) Da der Begriff „Endsieg-Propaganda“ einige reflexhafte Abwehrreaktionen vor allem im öffentlich-rechtlichen Tendenzfernsehen hervorgerufen hat – hier eine kleine Ergänzung (abgesehen davon, dass sogar Medienlaien wissen sollten, dass in Überschriften auch mit Reizbegriffen zugespitzt wird, um zur Lektüre anzuregen – würde die ARD natürlich niiiie machen):
Der Begriff „Endsieg-Propaganda“ hätte für historisch Gebildete eigentlich nichts irgendwie Nazistisches haben dürfen: Ganz im GEGENTEIL ist das ein das damalige Regime ABWERTENDER, geradezu ANTI-nazistischer „Vorwurf“ – denn gerade den letzten Hitler-Getreuen wird ja heute in der historischen Rückschau „Endsieg-Propaganda“ vorgeworfen – also letzte Durchhalteparolen des Regimes, das damals 1944/45 bereits objektiv verloren war.
Und die heutigen Durchhalteparolen für den hoffnungslos verlorenen Euro weisen hier durchaus eine Menge Analogien auf. Spätestens in der historischen Rückschau auf das heutige EUR-Spätstadium wird man dies genau so sogar in den Geschichtsbüchern lesen. Vielleicht heißt es dann nicht „Endsieg-Propaganda“, sondern „Den-EUR-gibt-es-noch-in-400-Jahren“-Propaganda (Theo Waigel). Die Aufregung über den Begriff ist in jedem Fall absurd und zeugt von völlig fehlender historischer Bildung – in diesem Fall der Tagesschau-Redakteure.