„Deutschland kommt in die Abhängigkeit von fremden Mächten“

„Deutschland kommt in die Abhängigkeit von fremden Mächten“

Im Interview mit FREILICH spricht der AfD-Bundestagsabgeordnete Peter Boehringer über die hohe Inflation und ihre Ursachen, die Politik der EZB, die Wichtigkeit einer gut ausgebildeten Bevölkerung und über den Schutz nationaler Interessen als Aufgabe rationaler oder patriotischer Politik.

Interview von Bruno Wolters 8.1.2023/ 9 Minuten Lesezeit

FREILICH: Herr Boehringer, wir sind mittlerweile in Deutschland und Europa bei zehn Prozent Inflation angekommen. Wir schlittern also in eine kontinentale Krise, während Großmächte wie China und die USA vielseitig Druck ausüben. Wie sollten einerseits Deutschland bzw. Österreich, andererseits Europa als Großraum auf die globalen Krisenentwicklungen reagieren? Wie kann Deutschland wieder Subjekt, anstatt Objekt werden?

Peter Boehringer: Die Inflation hat ja immer mindestens zwei Ursachen. Die ERSTE, die exzessive Kreditgeldschöpfung, ist nicht auf Deutschland oder Österreich oder Europa beschränkt, könnte also nur global angegangen werden, was derzeit utopisch ist. Seit 1971 können die Zentralbanken unter der Führung der US-Federal-Reserve hemmungslos Kreditgeld drucken. Hier werden Deutschland und Österreich, seit 1999 in Ermangelung unabhängiger Zentralbanken, niemals Subjekt werden können: Jedenfalls nicht vor dem Zusammenbruch dieses Systems, der zwar nach aller historischen Erfahrung mit ungedeckten Geldsystemen kommen wird – aber diesmal länger dauert, denn es wird erstmals in der Geschichte GLOBAL aufgeschuldet, weswegen der Zeitpunkt bis zur Überschuldung der Welt diesmal länger als bei früheren Zyklen ungedeckter Geldsysteme dauert. Ein guter Teil der Inflation kommt aber bereits von diesem Aufschuldungseffekt – was darauf hindeutet, dass wir schon recht weit sind auf dem Weg in die Überschuldung.

Die ZWEITE Inflationsursache trifft tatsächlich vor allem Deutschland, denn es ist die ENERGIE-Teuerung – und Deutschland betreibt mit Abstand die dümmste Energiepolitik der Welt. Ideologisch, technologisch, energetisch, geopolitisch. Alle unsere Regierungen seit Merkel sind mit die fanatischsten Anhänger und Umsetzer der CO-Religion, die weiterhin nichts als Modelltheorie ist und die besagt, „wegen des CO2-bedingten Treibhauseffekts“ ginge die Welt in etwa 80 Jahren am Wärmeschock zugrunde. Dass ein Land wie Deutschland selbst dann, wenn diese Theorie richtig wäre, mit unter zwei Prozent Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß (Österreich unter 0,2 prozent), NICHTS zur Weltrettung beitragen kann, solange die meisten großen CO2-ausstoßenden Länder nicht mitmachen oder sogar ihre Ausstöße massiv steigern (China, Indien, Russland), ist ja völlig evident. Unser Fokus auf sogenannte „erneuerbare Energien“ ist zudem absurd, denn mangels Grundlastfähigkeit (Ausnahme Wasserkraft – aber im Gegensatz zu Österreich hat Deutschland hier topologisch bedingt kaum Möglichkeiten) müssen wir praktisch alle diese Kapazitäten redundant/doppelt vorhalten.

Und in Ermangelung der verteufelten Kernenergie auch NUTZEN – mithin ausgerechnet die ebenso verteufelte Kohlekraft und das politisch kaum gewollte Erdgas. In dieser absurden, weitgehend politikgemachten Gemengelage KANN der Energiepreis nur steigen. Deutschland kommt so in die Abhängigkeit von fremden Mächten. Eine gewisse Autarkie könnte hier langfristig nur die 4. Generation der Kernkraft bringen: Sie brächte nicht nur absolut sichere Reaktoren und nicht nur praktisch keinerlei Endlager-Müll mehr, sondern derart viel supergünstige Energie, dass man damit – und NUR damit – erst mal ENERGETISCH unabhängiger werden könnte. Und wegen der Bedeutung günstiger Energie für Wirtschaft und Gesellschaft damit dann EINE zwingende Voraussetzung erfüllen würde, wieder zu einem Subjekt der Welt- und Wirtschaftsgeschichte werden zu können.

Ein Weg der EZB und einiger nationaler Regierungen scheint das Gelddrucken und Schuldenmachen zu sein. Sie haben seit Beginn diese geldpolitisch- und haushaltspolitischen Schritte kritisiert. Kann es jetzt noch ein „Zurück“ in die Normalität geben, ohne einen riesigen Crash zu provozieren?

Jede Inflationierung (lat. „inflare“ = „aufblähen“) der Geldmengen führt zwingend zunächst zu einer Teuerungswelle, wenn die Geldmengen schneller als die Güterangebotsmengen wachsen. Dieses Auseinanderlaufen der Geld- und der Realsphäre bzw. dieser Vermögens- und Schuldenüberhang weit über die Gütermenge hinaus muss zwingend irgendwann korrigiert werden. Das geht in Ermangelung massiven Güteraufwuchses nur durch galoppierende Teuerung über mehrere Jahre und/oder über eine schnelle Hyperinflation oder auch durch eine deflatorische Währungsreform, die sich auch ans Ende einer Hyperinflationsphase anschließen kann. Letztlich ist das Ausbuchen des Vermögensüberhangs am Ende IMMER verarmend-deflationär – wobei dieser Prozess vorher noch lange Zeit durch die steigenden bis explodierenden Nominalpreise verschleiert sein kann, da so selbst bei realer Wirtschaftsschrumpfung (wie derzeit) noch immer nominales Wachstum ausgewiesen wird.

Ein „Zurück“ in diesem Prozess ist in Europa nach den Entwicklungen seit 2010 kaum noch möglich. Seitdem wurden im Zuge der weltweiten Finanzkrise, dann der Anleihekaufprogramme der EZB und dann der Corona-Verschuldung und der faktischen EUropäischen Gemeinschaftsanleihen und nun auch noch im Zuge der aktuellen Kriegswirtschaft einfach zu viele Billionen Euro an Kredit geschöpft, um hier noch schadlos herauszukommen. Bei ihrer Gründung 2012/13 konnte die AfD hier noch anderes erhoffen und fordern – die entsprechende Aufschuldung über EZB, Bundesbank und ESM lag damals noch unter einer Billion Euro. Heute eher bei acht Billionen und mehr. Das ist der entscheidende Unterschied – ich persönlich erhoffe mir hier kein beherrschbares Szenario mehr.

TROTZDEM – und das ist sehr wichtig – ist es zwar einerseits sinnvoll, die bestehenden EUropäischen Geldtöpfe solange es sie noch gibt für nationale Zwecke anzuzapfen, wie es etwa Italien, Griechenland, Spanien, Frankreich, Polen usw. ja schon seit Jahren tun. Das könnte politisch bedeuten, dass es in so einer Endphase rational sein kann, dass nun auch Deutschland oder Österreich Schulden aufzunehmen beginnen, als gäbe es kein Morgen. Das höre ich durchaus oft auch aus der eigenen Partei. Genau diese krasse Aufschuldung aber TUN ja auch durchaus die Schwarz-Rot-Grün-Gelben Altparteien in Deutschland ebenso wie in Österreich! Sollten wir jedoch aus rechter Sicht WIRKLICH diesen anti-patriotischen Parteien noch mehr Schuldgeld zugestehen? Nur um eine Politik zu verlängern, die inzwischen in praktisch allen Punkten einfach nur ÜBERWUNDEN werden muss? Klar kann man fordern: „Das Geld darf natürlich strikt ausschließlich für nationale Zwecke verwendet werden!“ Doch das ist reines Wunschdenken: Genau das geschieht heute unter Altparteienregierungen NICHT!

Hinzu kommt: Es ist NICHT sinnvoll, unsere Länder in die völlige Überschuldung gegenüber dem nicht-EURopäischen Ausland zu treiben, was aber derzeit durchaus auch geschieht. Wir haben die finanz- und haushaltspolitische Aufgabe, die FALLHÖHE für die Zeit nach einem Crash niedrig zu halten. Nicht alle Schulden werden „danach“ weg sein – d.h. einige Altschulden werden von uns bedient werden müssen, selbst wenn es den Euro eines Tages nicht mehr geben wird. Das würde aber einen späteren Wiederaufbau Deutschlands oder auch Österreichs stark behindern. Das deutsche Wirtschaftswunder nach dem Zweiten Weltkrieg gelang unter anderem deshalb, weil Deutschland nach der harten aber notwendigen deflatorischen Währungsreform 1948 praktisch schuldenfrei war und so ohne Kreditbelastung volkswirtschaftlich einfach loslegen konnte: Trotz aller Kriegsschäden, Toten und Patentdiebstählen in vielen Bereichen mit noch immer einigermaßen intakter Infrastruktur sowie Bildungs- und Industriesubstanz.

Dieses auch HEUTE zu erhalten bzw. irreversible Substanzschäden klein zu halten, ist sicherlich in der aktuellen Lage die wichtigere Aufgabe gegenüber etwa der Finanzierung von Sozialgeschenken wie etwa eines „Bürgergelds“, also einer utopisch-naiv-sozialistischen Idee, die als gewaltiger „Pull-Faktor“ nach Europa wirken würde und so noch viel mehr Migration zu uns auslösen würde! Völlig offene Grenzen (wie heute) und zugleich ein ausufernder Sozialstaat schließen sich aus. Man muss Milton Friedman nicht mögen – aber hier hatte er sicher recht. Das sollten auch die sogenannten Sozialpatrioten nie vergessen. Es ist beim Sozialstaat wie mit der Bundeswehr/dem Bundesheer: ZUERST sollten diese Armeen von Oben her sauber und nationalpatriotischer aufgestellt werden, gerne auch mit souveräneren Oberbefehlshabern als den heutigen. Erst DANN sollten wir mehr Geld hineingeben.

Was kann die AfD oder die FPÖ tun, um möglichst viel Schaden für das Volk zu verhindern?

Es ist natürlich Aufgabe der AfD und der FPÖ, die Menschen und unsere Heimatländer auf diese Zeit vorzubereiten. Der oben genannte Substanzerhalt und die Verhinderung irreversibler Schäden ist für den kommenden Wiederaufbau dabei das Wichtigste. Von einem Überholen der heutigen linken bis linkssozialistischen Parteien mit noch mehr Sozialgeld rate ich ab. Erstens ist hier die Konkurrenz in Bundestag und Nationalrat viel zu überwältigend – es gibt schlicht keinen exklusiven politischen Freiraum dafür. Zweitens werden so untragbare Systeme und Ideologien künstlich verlängert, die sich doch eigentlich gerade selbst abwickeln. Und drittens kommen diese Gelder heute in völlig falschen Bereichen an (Migration, CO2-Religion, Genderismus, Kulturmarxismus), die wir dann unfreiwillig alle stärken und mitfinanzieren.

Ich postuliere darum: ERST DANN, wenn sichergestellt ist, dass eine künftige, völlig andere, rechte und wieder marktorientierte Regierung das Geld sinnvoll für unsere Länder und Menschen verwenden würde, kann man über zusätzliche Geldallokation in einzelnen rechten Schwerpunktbereichen reden. Ich bin angesichts der heutigen, absolut gigantischen Verschwendung von Geldern für linksideologische Zwecke sogar fast sicher, dass eine neue, rechte Regierung keine Schuldenorgie starten müsste. Ein wirtschaftlich schlanker und nationalliberaler Staat bräuchte keinesfalls mehr Geld als die heutigen Machthaber.

Die aktuelle Regierung und die EU sägen am Goldbrunnen (Industrie) und dem Ast, auf dem sie sitzen, während vor allem China große Schritte nach vorne macht (siehe Patentanmeldungen). Deutschland wird zunehmend vom wirtschaftlichen Rückgrat der EU zur Mangelrepublik. Braucht es neben ordnungs- und wirtschaftspolitischen Veränderungen auch kulturelle, beispielsweise im Bildungsbereich? Wo würde die AfD da ansetzen?

Ja, wie oben schon angedeutet, ist eine vernünftig ausgebildete Bevölkerung enorm wichtig für den Wiederaufbau. Hier wurde natürlich seit Jahrzehnten unglaublich viel kaputtgeschlagen – ich unterstelle hier ganz klar ABSICHT der linken Kulturmarxisten, obwohl man immer auch alles mit ideologischer Dummheit (woke-ideologische LEERpläne statt naturwissenschaftlicher, faktenorientierter Lehrpläne) erklären könnte; oder mit falschem Moralismus (Zuwanderung von bildungsfernsten Analphabeten und kulturell kaum kompatiblen Menschen).

Deutschland ebenso wie Österreich werden sich den Freiraum erkämpfen müssen für eine wieder an nationalen Interessen, an wirtschaftlichen Bedürfnissen und am Volkswillen orientierte Bildungs- und Zuwanderungspolitik. Das sind dicke Bretter – aber es muss getan werden. Auch hier sehe ich derzeit vor allem den überfälligen Stopp der Massenzuwanderung als wichtigsten Hebel, um endlich den immer tieferen Fall zu stoppen bzw. die Fallhöhe zu reduzieren.

In Deutschland besteht eine große Kluft zwischen der akademischen Forschung und den notwendigen Investitionen der Industrie. Wir haben das Knowhow, aber den Investoren fehlt es an Risikobereitschaft. An ihre Stelle treten US-amerikanische und chinesische Investoren, die von unserer Vorarbeit profitieren. Wie lässt sich diese Kluft schließen?

Das Problem ist uralt. Es war schon virulent, als ich in den 1990er-Jahren noch selbst in der Venture Capital Branche gearbeitet habe – sowohl für deutsche als auch für angelsächsische Kapitalgeber. Damals wurde das Problem oft mit unterschiedlichen Risikomentalitäten sowohl der Geldgeber als auch der Unternehmer begründet. Ich sehe das heute differenzierter. Schon damals wurden gute deutsche Ideen und gute Gründerteams und natürlich die Patente sehr schnell nach den ersten Erfolgen schlicht aufgekauft. Damals noch vor allem mit US-amerikanischem Kreditgeld – heute eben auch mit chinesischem. Beides war und ist im Überfluss vorhanden – und in frühen Phasen sind gute neue Unternehmen sehr günstig zu haben, wenn sogar mehrere Milliarden Marktkapitalisierung als Übernahmepreis für die tiefen Taschen der Private Equity Fonds keinerlei Problem darstellen.

Natürlich erklärt dies nicht das ganze Phänomen. Die amerikanische Gründerkultur, die Netzwerke und die Universitäten sind klar unternehmerischer ausgelegt als hierzulande. Man hat aber auch den Europäern wenig Chancen gegeben – speziell nicht mehr nach der Zerschlagung der sogenannten „Deutschland AG“ – einem Nukleus deutscher Großunternehmen mit gegenseitiger Kapitalverflechtung zur Verhinderung der Übernahme durch Angelsachsen oder Chinesen. Bis in die 1990er hat das noch funktioniert. Es war zwar ein skandalträchtiges, kartellartiges Geflecht mit gewissen Auswüchsen.

Bot aber immerhin jungen Unternehmen einen gewissen nationalen Schutzraum, in dem man erst mal größer werden konnte. Das ist aber lange vorbei. Nationale Interessen werden seit Jahrzehnten nicht mehr geschützt in Deutschland und Österreich. Genau das wäre auch Aufgabe rationaler oder patriotischer Politik. Weltweiter Freihandel ist wünschenswert und wohlfahrtsbringend – aber eben nur, wenn er auf Gegenseitigkeit und fair play beruht, was im Zeitalter des legalen Falschgelds mit der ungedeckten Weltleitwährung „Dollar“ seit Jahrzehnten nicht mehr der Fall ist; speziell bei devoten deutschen und österreichischen Regierungen, die keine nationalen Interessen mehr geltend machen, sondern nur noch die „internationale Agenda“ verfolgen.

Herr Boehringer, vielen Dank für Ihre Zeit!

 


Zur Person:

Peter Boehringer, geboren 1969 in Schwäbisch Gmünd, studierte an der European Business School in Oestrich-Winkel (Hessen) sowie in den USA und England und ist zweifacher Familienvater. Seit 2015 ist er Mitglied der AfD sowie Sprecher des Bundesfachausschusses Euro, Geld- und Finanzpolitik. Mitglied des Bundestages ist er seit Oktober 2017, haushaltspolitischer Sprecher seit 2018. Boehringer ist außerdem Referent zu wichtigen gesellschaftlichen Problemen Europas und stellvertretender Bundessprecher der AfD.

 

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Erstveröffentlichung/Quelle: Peter Boehringer (AfD): „Deutschland kommt in die Abhängigkeit von fremden Mächten“ | Freilich Magazin (freilich-magazin.com)




100 Jahre nach der Hyperinflation Ursachen der Extremteuerung 1923 und Lehren für die Gegenwart

100 Jahre nach der Hyperinflation

Ursachen der Extremteuerung 1923 und Lehren für die Gegenwart

Alle Zeitzeugen von November 1923, heute vor genau 100 Jahren, sind inzwischen verstummt. Die Angst vor Inflation ist jedoch in gewisser Weise in unser Erbgut eingegangen. Was geschah 1920 bis 1923 und warum geschah es? Ist eine Wiederholung ausgeschlossen?

Ursachen der Inflation

„Inflation“ gemäß Definition der Österreichischen Schule der Nationalökonomie ist überproportionale Geldmengenausweitung im Vergleich zum Wachstum von Waren und Dienstleistungen. Nicht zu verwechseln mit „Teuerung“, welche in aller Regel auf diese Inflation folgt. Kreditgeld finanzierte den ersten Weltkrieg ab 1914 in bislang ungekanntem Ausmaß. Die Niederlage des Kaiserreiches nach vier Jahren ruinöser Kriegshandlungen führte zu einem Kriegsschuldenstand von 160 Milliarden Mark – oder in heutiger Kaufkraft etwa 12 Billionen Euro. Damals wie heute entsprach das dem deutschen Nationaleinkommen von drei Jahren.

20 Mark entsprachen bis zur Aufhebung der Golddeckung der Mark 7,16 Gramm Gold. Die noch bis Herbst 1914 bestehende fixe Golddeckung hätte die genannten Kriegsausgaben nicht ansatzweise zugelassen. Sie hätte bei allen kriegführenden Nationen den Frieden gewahrt oder den Krieg nach wenigen Monaten im Bankrott enden lassen. Einer Werbekampagne aus dem gleichen Jahr, Goldmünzen gegen Banknoten einzutauschen, erlagen viele patriotische Bürger mit dem Spruch „Gold gab ich zur Wehr – Eisen nahm ich zur Ehr“. Im Jahr 1914 gelang es der Reichsregierung somit, eine Milliarde Mark in Goldmünzen einzuziehen, mithin 356 Tonnen Gold. Die Kriegsausgaben bzw. -schulden von 160 Milliarden Mark nach vier Jahren Krieg entsprachen allerdings rechnerisch gut 57.000 Tonnen Gold und damit praktisch den gesamten bis 1918 geförderten weltweiten Goldvorräten!

Zudem standen dann ab 1919/21 auch noch die Reparationen an die Siegermächte aus dem berüchtigten Versailler Vertrag an – mit am Ende etwa 132 Milliarden Goldmark nochmals fast dieselbe Summe wie die Kriegsausgaben. Die Verhandlungen um sogar noch viel höhere Reparationen zogen sich. Je nach Stand der Verhandlungen um die Reparationsforderungen schwankte der Kurs der Mark gegenüber dem Dollar beträchtlich, um letztlich nur noch eine Richtung in den Abgrund zu kennen, als klar wurde, dass der Großteil der Zahlungen nur über die Druckerpresse beglichen werden konnte und wurde.

Was für eine Diskrepanz zur Vorkriegszeit, beschrieben hier in den berühmten Worten Stefan Zweigs:
„Wenn ich versuche, für die Zeit vor dem Ersten Weltkriege, in der ich aufgewachsen bin, eine handliche Formel zu finden, so hoffe ich am prägnantesten zu sein, wenn ich sage: es war das goldene Zeitalter der Sicherheit. Alles in unserer fast tausendjährigen österreichischen Monarchie schien auf Dauer gegründet und der Staat selbst der oberste Garant dieser Beständigkeit. Die Rechte, die er seinen Bürgern gewährte, waren verbrieft vom Parlament, der frei gewählten Vertretung des Volkes, und jede Pflicht genau begrenzt. Unsere Währung, die österreichische Krone, lief in blanken Goldstücken um und verbürgte damit ihre Unwandelbarkeit. Jeder wußte, wieviel er besaß oder wieviel ihm zukam, was erlaubt und was verboten war, Alles hatte seine Norm, sein bestimmtes Maß und Gewicht.“

Dies war recht genau die Situation im Kaiserreich unmittelbar vor dem Krieg. Schon kurz nach der Niederlage brach die Inflation offen aus. 1919/20 noch langsam – doch schon ab 1921 galoppierend und unerbittlich bis zum Höhepunkt im November 1923, vor ganz genau 100 Jahren.

Währungs- und Sittenverfall

Der Dollarkurs stieg in den ersten sechs Monaten des Jahres 1923 von 7.260 auf 74.750. Anfang Juli lag er bei 160.000 Mark, einen Monat später bei 1,1 Millionen, im September bei 9,7 Millionen. Am Ersten Oktober lag der Kurs des Dollar bei 242 Millionen Mark, am 19. Oktober bei zwölf Milliarden, am letzten Tag des Monats bei 72,5 Milliarden. Am 1. November waren es 130 Milliarden, zehn Tage später 630 Milliarden und nochmals Tage darauf, am 15. November 1923 dann 4,2 Billionen Mark. Es war für die allermeisten Menschen das erste Mal in ihrem Leben, dass sie den Begriff „Billiarde“ oder gar „Trillion“ hörten. Das waren Summen, die sich die meisten gar nicht mehr vorstellen konnten, mit denen sie aber jetzt umgehen mussten. Die Schwindsucht der Währung löste erheblichen Stress bei breiten Bevölkerungsschichten aus. Eine Epidemie der Angst um das nackte Überleben griff um sich. In den Großstädten und hier insbesondere in Berlin hungerte das Volk und griff zum Mittel gewalttätiger Beschaffungskriminalität. Die Ungewissheit über das Morgen, die Haltlosigkeit von Ersparnissen, Renten und Pensionen entwurzelte auf breiter Front die Massen. Obdachlosigkeit und Arbeitslosigkeit stiegen rasant, Verwahrlosung und Schmutz griffen um sich. Bettler bevorzugten Sachwerte dem Gelde und Prostitution aller Geschlechter bis in jugendliche Altersgruppen griff um sich. Zigtausende Frauen allein in Berlin gingen aus Not dem Geschäft käuflicher Liebe nach.

Nicht minder schlimm stand es um das andere Geschlecht. Stefan Zweig beobachtete das bunte Treiben auf der Berliner Flaniermeile: „Den Kurfürstendamm entlang promenierten geschminkte Jungen mit künstlichen Taillen. Nicht nur Professionelle: jeder Gymnasiast wollte (musste) sich etwas verdienen, und in den verdunkelten Bars sah man Staatssekretäre und hohe Finanzleute ohne Scham betrunkene Matrosen zärtlich hofieren.“ Zweigs Beobachtung zeigt auch, dass es nicht nur Angebot gab, sondern auch eine große Nachfrage. Die sogenannten Puppenjungs, Stricher im Alter zwischen neun(!) und 13 Jahren, oder die mit Abstand größte Gruppe unter Berlins männlichen Prostituierten, die Strich-Jungen, von denen sich bis zu 25.000 in den Foyers der Hotels, den schwulen Bars und Lokalen und im Tiergarten herumtrieben.

Herkömmliche Vorstellungen von Moral und Sitte, von Ordnung und Recht wurden massenhaft missachtet.

Gewinner und Glücksritter

Wer es verstand, als „Wucherer“ seine Waren unter das Volk zu bekommen, der machte auch in schlimmer Zeit seinen Schnitt. „Raffkes“ zogen durch die Stadt und brachten die Menschen um wertige Habseligkeiten. „Schieber“ verbanden Logistik auf zwielichtigen Wegen mit erheblichem Eigennutz, vorbei an Staat und Gesellschaft, schafften Waren in alle Winkel – insbesondere über die Grenzen. Wer Zugriff auf Devisen hatte, der lebte gut im siechenden Reich der Hyperinflation. In Berlin war Devisenhaltern ein Leben in purem Luxus möglich. Praktische Gewinner waren aber auch Fahrrad- und Ersatzteilhändler, da sich die Bevölkerung oft weder ein Auto noch die Fortbewegung im öffentlichen Nahverkehr weiter leisten konnte. Wer 1920 verschuldet war, konnte sich im Zuge der Geldentwertung immerhin über seine Entschuldung freuen. Wer in der seit 1914 nicht mehr gedeckten Papier-Mark sich zu verschulden wusste und in Devisen und Sachwerte investierte, der brachte es mitunter wie Hugo Stinnes zu einem Imperium.

Verlierer und Versager

Ganz schlecht erging es allen, die auf öffentliche Zahlungen angewiesen waren: „Sozialrentner“, die als ehemalige Arbeitnehmer Anspruch auf Leistungen der Sozialversicherung hatten. Und auch Beamte gehörten zu den Verlierern, denn auch für sie galt, dass die „Teuerungszulagen“ für ihre Gehälter nicht mehr mit der Entwicklung mithalten konnten. Was diese Preisentwicklung für Rentner bereits 1922 bedeutete, hatte die Berliner Zeitung so beschrieben: „Der Fall eines 66 Jahre alten Invalidenrentners, der auf 720 Mark Altersrente kam. Um das Geld abzuholen, musste er mit der Tram zur Post fahren, aber allein für die Hin- und Rückfahrt musste er 6.000 Mark bezahlen. Damit der Mann überhaupt überleben konnte, arbeitete er als Portiersaushilfe.“ Für die Benutzung einer Personenwaage musste man mitten in der Inflation tatsächlich nur lausige 20 Pfennig bezahlen, diese zwei Groschen Hartgeld wiederum kosteten wegen ihres Metallwerts allerdings 200 Mark.

Schwer betroffen von der Krise waren auch Vermieter, die auf die Mieteinnahmen zum Lebensunterhalt hingearbeitet hatten. Sie mussten ihre Immobilien oft zu mageren Preisen verkaufen: einfach, um überleben zu können. Die Mieten wurden vom Staat festgesetzt; und da es dessen bevorzugtes Ziel war, den Menschen ihre Wohnungen zu erhalten und nicht, die Vermieter zu unterstützen, kam es zu deren faktischer Enteignung. Mittelständische Selbstständige wie Handwerker und Einzelhändler litten ebenfalls unter dem Kaufkraftverlust der Mark. Und weil der Staat alle Leistungen für die Grundversorgung der Bürger mit planwirtschaftlichen Preisbindungen belegte, konnten ihre Erlöse bei Weitem nicht mit den Preissteigerungen für die Herstellung und den Einkauf neuer Waren mithalten. Wenn sich bei Einzelhändlern aus diesem Grund zuerst die Lager und dann die Verkaufsregale leerten, konnte das ihren Ruin bedeuten, denn sie hatten schlicht wenig oder nichts mehr zu verkaufen oder verkauften aus Selbstschutz nicht unter Einstand. Die ganze Entwicklung ließ viele Selbstständige an den ehernen einstigen Wertvorstellungen des solide wirtschaftenden Kaufmannes zweifeln. Kunden waren nun Bittsteller und nicht länger König. Die Kundschaft in Warenhäusern wie dem KaDeWe waren 1923 fast ausschließlich nur noch kaufkraftstarke Devisenbesitzer.

Bereits im Jahr 1920 konnten Sparguthaben als weitgehend enteignet gelten, Bankkonten und Bargeld waren fast wertlos geworden. Dabei war das längst nicht allen zu dieser Zeit bewusst. Als es ihnen klar wurde, fühlten sie sich allerdings betrogen – nicht nur um ihr Geld, sondern auch um ihre Würde, ihr Ansehen und ihre Lebensleistung. Kein Wunder, dass Postkarten mit dem ehemaligen Kaiser reißenden Absatz fanden, während die demokratischen Politiker oft nur noch auf Verachtung trafen. Anfängliche Freude über die hohen Gehalts-Zahlungen mündeten im Realisieren der Illusion und in niederschmetternden Gefühlen über die tatsächliche eigene finanzielle Situation. Ein finanzieller Crashkurs in mehrfacher Hinsicht. Viele Menschen hatten faktisch schon alles oder fast alles verloren, als sie begriffen, dass sie keine realen Millionäre waren, nur weil sie Millionen von Mark in den Händen hielten. Als es jetzt bald nicht mehr um Millionen oder zig Millionen, sondern um Milliarden, Hunderte von Milliarden und Billionen ging, erkannten sie ihre wahre Situation, waren aber völlig machtlos, sich dagegen zu wehren. Das Land wurde von einer allgemeinen Unsicherheit erfasst, die Menschen waren nervös und ängstlich, sahen keine Zukunftsperspektiven mehr und ergaben sich in ihr Schicksal. Für viele ging es längst nur noch um das tägliche Überleben.

Die Stadt Berlin war angesichts der finanziellen Katastrophe außerstande, irgendetwas gegen die Wohnungsmisere zu tun. Die Zahl der amtlich registrierten Wohnungssuchenden betrug Ende 1921 rund 151.000 und lag schließlich im März 1923 bei 224.000. Diese Zahlen gaben aber nicht einmal annähernd die wahre Heerschar an Wohnungssuchenden wieder, denn viele Betroffene hatten keine Hoffnung auf eine Wohnung oder konnten sie sich ohnedies gar nicht leisten und meldeten sich daher gar nicht erst bei den Ämtern. Die Behörden versuchten es mit der Zwangsbewirtschaftung von Wohnraum: So konnte es nicht ausbleiben, dass es immer wieder zu Bestechungsversuchen der Beamten und Angestellten der zuständigen Verwaltung kam, die auch längst nicht in jedem Fall erfolglos waren. Gute Chancen auf eine Wohnung hatte man sonst nur im Falle einer Heirat. Daher bildete sich eine „Bräute-Börse“ heraus: Angeblich angehende Ehemänner mieteten sich eine schwangere „Braut“, die sie gegen ein Entgelt auf das Wohnungsamt begleitete. Gefürchtet waren die Beschlagnahmungen von Wohnraum in den Fällen, wenn die Behörden der Ansicht waren, dass jemand eine zu große Wohnung hatte. Eine Prüfung, die die dunkelrote Regierung von Berlin auch heute, 100 Jahre später, schon wieder angekündigt hat… 1923 mussten Wohnungsmieter in solchen Fällen wildfremde Untermieter akzeptieren.

Fuhrer: „Für die Ärmsten der Armen schufen solche Maßnahmen aber keine Abhilfe, denn sie konnten sich die Miete gar nicht leisten. Durch das staatliche Wohnungsmanagement gab es keine einzige neue Wohnung – und das war es, was dringend benötigt wurde. Im letzten Quartal 1922 konnte nur für fünf Prozent der Wohnungssuchenden eine neue Bleibe gefunden werden, und im Erfolgsfall bedeutete das noch lange nicht, dass diese auch adäquat war. Aber selbst zehnköpfige Familien waren froh, wenn sie in zwei Zimmern untergebracht wurden. Reichsmietengesetz und Reichsmieterschutzgesetz bestimmten Höchstmieten. Kaum ein Eigentümer investierte mehr in den Erhalt des Wohnraums, selbst dringend notwendige Instandhaltungsarbeiten unterblieben. In den Arbeitervierteln nahmen mit Pappe oder Holz vernagelte, zu Bruch gegangene Fenster in bewohnten Häusern zu. Überall bröckelte der Putz ab, Nässe drang in die Wohnungen, Ungeziefer breitete sich aus. Die Rattenplage wurde durch wilde Tierzucht auf dem Balkon oder im Keller von Kaninchen, Hühnern und selbst Ziegen zur Unterstützung der Lebensmittelversorgung angefacht.“

Dass sich Armut, Wohnungsnot, allgemeine Depression und ständig steigende Preise bei sinkenden Reallöhnen auf die Gesundheit vieler Menschen auswirken mussten, liegt auf der Hand. Betroffen davon war einerseits der Mittelstand, andererseits mehr und mehr die ohnehin schon arme Arbeiterschaft. Das enge Zusammenleben, der Schmutz, das Ungeziefer, zunehmender Alkoholmissbrauch und Konsum harter Drogen wie Heroin und Kokain begünstigten die rasche Ausbreitung vieler Krankheiten. Dazu waren viele Menschen, vor allem die ganz Kleinen und die Alten, ohnehin aufgrund mangelhafter Ernährung körperlich geschwächt, was sie noch anfälliger machte. Die extreme Teuerung machte vielen Menschen eine ausreichende Ernährung und Versorgung mit Vitaminen unmöglich. Es fehlte insbesondere an Fetten, Fleisch, Eiern, Hülsenfrüchten, Zucker und Milch. Die wenigen verfügbaren Lebensmittel waren zudem oft minderwertig, Dosenfleisch wurde mit Ratten- und Katzenfleisch gestreckt. „Anfang 1923 litten in Berlin 40.000 Sauglinge, 190.000 Kleinkinder bis sechs Jahre und 500.000 Schulkinder wegen der zunehmenden Teuerung an Unterernährung, Rachitis, schlaffen Muskeln, schwachen Knochen, Blutarmut, Tuberkulose, Drüsenerkrankungen, einem allgemeinen Stillstand ihrer Entwicklung und als Folge unzureichender Bekleidung an Erkrankungen der Atemwegsorgane. Hinzu kamen Störungen des Magen-Darmtrakts und Magengeschwüre sowie Wurmkrankheiten. Kinder bis sechs Jahre waren zu 90 Prozent unterernährt.“

Gefahren heute: Die Vergangenheit wiederholt sich nicht – aber sie reimt sich.

Ausufernde Kosten insbesondere für Energie und nachlaufend für Corona treffen Deutschland und seine Bürger hart. Die dümmste Energiepolitik der Welt kostet uns künftig jedes Jahr hunderte Milliarden Euro. Die Deindustrialisierung Deutschlands sowie die Finanzierung fremder Kriege und die unkontrollierte Aufnahme heimatloser Menschen fremder Kulturen birgt nicht nur eine Vielzahl an Konfliktpotenzial, sondern sie legt auf der Angebotsseite die Lunte für massiv weiter steigende Preise. Speziell günstige Energieverfügbarkeit ist höchst korreliert mit allgemeinem Wohlstand.

Und wenn erst die diversen politischen Fehlentscheidungen seit 30 Jahren an den Punkt führen, an dem diese „Versailles II und III“ schlicht über Steuern und letztlich auch über „konventionelle“ Neuverschuldung nicht mehr bezahlt werden können, dann wird derselbe Effekt wie 1919 bis 1923 auch dasselbe Deutschland gut 100 Jahre danach an den Punkt führen, an dem der Staat seinen Verpflichtungen nur noch mit praktisch sicherheitsfreiem Geld aus der Druckerpresse nachkommen kann. Diese ist heute zwar digital und damit viel effizienter – aber die Mechanismen, die das üble Spiel gegen die Menschen begrenzen, gelten auch heute noch. Entgegen allen hartnäckigen keynesianischen Mythen ist Gelddrucken endlich und niemand kann sich reich drucken.

Zwar kann das Ganze durchaus weltweit ablaufen: Doch schon nationale Inflationskrisen lassen sich nur schwer einhegen. Eine internationale Inflationskrise, wie sie nach weltweiten jahrzehntelangen Aufschuldungsorgien wahrscheinlich ist, ist jedoch erst recht schwer zu meistern. Die Wechselkurse verschiedener Papierwährungen untereinander sind kaum zu prognostizieren. Gegen Gold und Sachwerte jedoch ist die Tendenz klar…

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Dieser Bericht ist entstanden mit Auszügen aus diesen sehr lesenswerten Werken
„Die Welt von gestern“ von Stefan Zweig ISBN 978-3866478992
„Hunger & Ekstase“ von Armin Fuhrer ISBN 978-3-96201-086-7