JF-Interview Boehringer zu bemerkenswerten Haushaltsfragen
Wo würde die AfD sparen, Herr Boehringer? Interview 30. November 2023, JF/Henning Hoffgaard
Wie die Partei die neue Haushaltskrise beurteilt, wieso sie die Bundesregierung derzeit nicht verklagen kann und wo sie sparen würde, wenn sie könnte – AfD-Haushaltsexperte PeterBoehringer steht der JF Rede und Antwort.
https://jungefreiheit.de/debatte/interview/2023/wo-wuerde-die-afd-sparen-herr-boehringer
Herr Boehringer, Bundeskanzler Olaf Scholz hat am Dienstag eine umfangreiche Regierungserklärung zur Haushaltskrise abgegeben. Was haben Sie davon mitgenommen?
Peter Boehringer: Eigentlich hat Olaf Scholz nur höchst redundant permanent wiederholt, wie „überraschend, unerwartet und neu“ die vom Bundesverfassungsgericht am 15. November per Urteil verkündete Rechtslage bei der Verschuldung in Sondervermögen sei. Das ist aber alles abwegig. Das Urteil war absolut erwartbar, die Rechtsauslegung auch nicht neu und eigentlich trivial: Natürlich müssen Verschuldungen in Sondervermögen auf die Schuldenbremse nach Art 109 und 115 GG angerechnet werden – auch „Nebenhaushalte“ sind Teil des Gesamthaushalts. Und natürlich muss die Verbuchung auch Jahres-gerecht staatfinden im Jahre der Schuldenaufnahme. Eine Rücklagenbildung auf Vorrat ist selbstredend verfassungswidrig und wider alle kameralistischen Haushalts-Prinzipien. Auch der dritte im Urteil monierte Punk war ebenso klar: Man kann nicht im Kalenderjahr 2022 NACHTRÄGLICH 60 Milliarden Euro an zufällig noch „freier“, nicht benötigter Verschuldung von 2021 per Nachtrags-Haushalt 2021 „abräumen“ und als Spardose für rotgrüngelbe Regierungsprojekte horten. Und selbstredend kann man das auch nicht mit CORONA-Geldern tun, wenn man damit grüne „Klima“-Projekte finanzieren will – das widerspricht eindeutig dem Konnexitätsprinzip, das ebenfalls per unbestreitbarer Auslegung aus dem Grundgesetz ableitbar ist.
Zum Glück wurde das Staatsschauspiel des Kanzlers durchschaut: Er wurde mehrfach fraktionsübergreifend ausgelacht, was bei einer Regierungserklärung eigentlich die Höchststrafe für einen Kanzler ist. Er hat allerdings auch einiges dazu beigetragen, indem er seine sattsam bekannten Wohlfühl-Phrasen ständig wiederholt hat: „Wir müssen zusammenhalten“ oder sogar „uns unterhaken“! Eigentlich fehlte zum Volkskammer-Niveau nur noch „Ich liebe doch alle“.
Wird die AfD-Fraktion gegen den nun angekündigten Nachtragshaushalt der Bundesregierung klagen?
Boehringer: Da sich das Urteil aus mehreren der o.g. Gründe nicht nur auf den formell für nichtig erklärten Teilhaushalt 2021 bezieht, sondern viel umfassendere und allgemeinere Konsequenzen birgt, würden wir das natürlich sehr gerne tun – so wie wir schon seit 2021 immer wieder sog. „Normenkontrollklagen“ zur Buchungspraxis aller Haushalte seitdem angeregt hatten und natürlich auch geführt hätten. Leider sind die Fragen die sich hier stellen, mangels persönlicher Betroffenheit weder Einzelpersonen per „Verfassungsbeschwerde“ noch Fraktionen über „Organklagen“ zugänglich, da unsere Fraktion auch nicht in ihren Rechten als Organ betroffen ist. Auch nicht der Bundestag als Ganzes, für den wir sonst in Prozessstandschaft klagen könnten. Es bleibt darum nur das Instrument der sog. „abstrakten Normenkontrollklage“ nach Art. 93 GG i.V.m. § 13 BVerfGG. Letzteres regelt leider, dass man hierfür ein VIERTEL der Mandate des Deutschen Bundestags benötigt. Das wir erst 2025 dann haben werden – 2021 hat uns der Wähler die 25 Prozent leider noch nicht gegeben. Das war auch der Grund, warum wir schon 2021 die so wichtige Klage gegen den Haushalt 2021 zwar anregen konnten (und das auch lange vor der Union getan haben) – am Ende aber und nach langem Zögern und erst NACH Ablehnung unseres entsprechenden Antrags auf Normenkontrollklage nur die CDU-CSU-Fraktion mit eben diesem Instrument und auch mit genau unserem Inhalt klagen konnte. Ich kann nur an die Wähler appellieren, uns 2025 endlich diese 25% im Bundestag zu schenken – dann werden wir einige besonders irre bzw. illegale Projekte auch juristisch stoppen können. Der Großteil der Oppositionsarbeit muss allerdings auch weiterhin im Bundestag stattfinden – hier wären 30% und mehr sehr wichtig.
Das Urteil des Verfassungsgerichts zum Klimafonds gilt als einschneidend für die Haushaltspolitik Deutschlands. Wie überrascht waren Sie von der klaren Entscheidung aus Karlsruhe?
Boehringer: Wie in der ersten Frage ja bereits gesagt: Inhaltlich und rechtlich in keiner Weise überrascht. Es war ein ZWINGENDES Urteil. Leider waren aber sogar zwingende Urteile in Karlsruhe in den letzten Jahren nicht immer zu bekommen. Darum sind wir positiv angetan – auch über das recht umfassende Urteil, das wie dargestellt weit über den offenkundig verfassungswidrigen Haushalt 2021 hinausging. M.W. war es eines der letzten Urteile der Richterin König, die hier am Ende ihrer fast zwölfjähriger Amtszeit noch ein Ausrufezeichen gesetzt hat. Es ist durchaus eines der folgenreichsten Urteile der vergangenen Jahre. Leider hat zu den illegalen Zuständen an deutschen Grenzen seit 2015 kein Verfassungsrichter den Mut zu einem vergleichbar klaren Urteil gefunden.
Nicht nur der Bund steckt nun in der Klemme, auch viele Bundesländer haben Gelder mit Buchungstricks in kommende Haushaltsjahre übertragen. Erwarten Sie eine Kettenreaktion?
Boehringer: In der Tat stellt die nun auch höchstrichterlich geklärten Rechtslage in vielen Bundesländern Sondervermögen bzw. signifikante Sonderschulden in Frage. Darum haben sich nicht nur rotgrüngelbe Ministerpräsidenten sofort entsetzt gezeigt, sondern auch in mindestens fünf Unions-Ländern gibt es helle Aufregung. In Schleswig-Holstein hat die CDU-geführte Regierung SOFORT nach dem Urteil die haushalterische Notsituation sogar schon für 2024 erklärt, um ihren Schulden-Haushalt irgendwie verfassungskonform zu bekommen. Begründet übrigens mit einer ganz plötzlich entdeckten „Ostsee-Sturmflut“, die eigentlich schon fast vergessen war. Das war wohl auch das „Vorbild“ für die Ampel im Bund, die nun wenige Tage später die erneute „Haushaltsnotsituation“ gem. Art 115(2) GG u.a. mit der Ahrtalflut von 2021 (!) begründete… Zudem mit den Folgen des Ukraine-Kriegs, der ja schon vor fast zwei Jahren begonnen hatte und natürlich ebenfalls keine aktuelle, plötzliche und unvorhersehbare Notlage für das Deutschland von 2023/24 begründet. Wir sind 2023 nun im vierten Jahr der angeblichen Haushalts-„Notsituation“, weswegen ich im Bundestag von einer permanenten Umgehung des Grundgesetzes und von inzwischen dauerhaftem Verfassungsbruch sprach. Die Grünen, die SPD und inzwischen auch Teile der Union wollen den finanziellen Notstand bereits dauerhaft ausrufen und/oder die Schuldenbremse ganz aus dem GG streichen. Wie die Debatte ausgeht, wird sich schon sehr schnell beim Haushalt 2024 zeigen – spätestens dann in den Folgejahren, falls Merz seine Ministerpräsidenten nochmals zurückhalten kann. Mit einer KLAGE der Union gegen die ganz eindeutig rechtswidrig ausgerufene Notsituation 2023 rechne ich leider nicht. Hier stehen Merz seine Wüsts, Haseloffs, Kretschmers und Günthers im Weg.
Klar ist: Der Bundesregierung – egal, wer sie stellt – fehlen in den kommenden Jahren Milliardenbeträge, die Spielräume für Investitionen werden kleiner. Steht die AfD zur Schuldenbremse?
Boehringer: Wir stehen zu ihr. Es gibt im Haushalt noch eine Menge Einsparmöglichkeiten – und am Ende ist das Prinzip ausgeglichener Haushalte nicht nur ein triviales ökonomisches Grundprinzip jedes Wirtschaftssubjekts, sondern schon seit 1850 in allen preußisch-deutschen Verfassungen kodifiziert. Allerdings muss man dazu die heutige Regierungspolitik radikal ändern. Die gesamte Politik der CO2-hysterischen Energievorgaben, der Masseneinwanderung, der woken Gesellschafts-Transformation, der „Entwicklungshilfe“ ohne jedes deutsche Interesse, der Industriefeindlichkeit, der milliardenteuren Corona-Lockdowns und der Waffengeschenke ins Ausland muss beendet werden. Man kann sich nicht über Schulden permanent reich drucken. Das ist auch ein ökonomischer Imperativ – nicht nur ein rechtlicher.
Welche drei Haushaltstitel würde ein Finanzminister Boehringer als erstes streichen?
Boehringer: Zunächst die meisten Titel im sog. „Klima- und Transformationsfonds“. Darunter auch die Subventionen für Wärmepumpen, die sofort obsolet wären, wenn ohne jeden Schaden fürs „Klima“ das zugrundeliegende Habeck´sche „Gebäudeenergiegesetz“ gestrichen würde. Dieses würde im allerbesten Fall (vermutlich nicht einmal das) eine Menge an CO2 einsparen, die China an einem TAG emittiert. Zu volkswirtschaftlichen Kosten für Deutschland, die über die Billionengrenze gehen! Man kann die Lebenslügen der Politik aller Altparteien und damit die auf der CO2-Lüge beruhenden grünen „Klima- und Transformationsprojekte“ nicht dauerhaft mit Schulden- oder Steuergeld kompensieren. Zweitens wären sofort alle Waffenlieferungen ins Ausland einzustellen. Formell ist auch der Ukraine-Krieg keinesfalls unser Krieg. Es existiert keinerlei EU- oder NATO-Verpflichtung – und er wird auch nicht mit noch mehr Geld „gewinnbar“ sein. Bis 2022 hat Deutschland gemäß unbestrittener Übereinkunft praktisch NIE Waffen in Krisen- oder gar Kriegsgebiete geliefert! Das war Konsens zwischen allen Parteien seit den 1950ern – 2021 haben sogar die Grünen das noch plakatiert!
Keine Waffen und Rüstungsgüter in Kriegsgebiete…
Durchgehalten über Jahrzehnte des Kalten Kriegs hindurch sogar während Zeiten von x Stellvertreterkriegen der damaligen UdSSR. Warum sich im Februar 2022 alles geändert haben sollte, erschließt sich mir (obschon Kommunistenfresser seit den 1980ern) nicht. Wer ernsthaft glaubt, wenn wir „den Russen“ nicht am Dnjepr oder im Donbass stoppen, dann werde der morgen am Rhein und übermorgen in Portugal stehen, der argumentiert aus den 1980ern heraus, wenn nicht noch weiter zurück. Und drittens würde wir ganz sicher auch keine Corona-Zahlungen mehr leisten: Sogar im aktuellen Haushalt stehen noch irre Titel wie etwa eine halbe Milliarde für „die Vorhaltung von Produktionskapazitäten zur Impfstoffproduktion von etwaigen [!] Pandemien“! Oder Forschungsgelder für hoch gefährliche mRNA-Impfstoffe.